Nach mehr als 10 Jahren Planung soll er kommen…

gehtgarnichtSeit 2006 wird er diskutiert und nun soll er auch tatsächlich kommen, der „neue“ Pflegebedürftigkeitsbegriff. Nach seinem 10-jährigen Jubiläum will das Bundesgesundheitsministerium ihn 2017 „scharf schalten„, wie es der pflegepolitische Sprecher der CDU / CSU-Bundestagsfraktion ausdrückt.
Dabei scheinen viele zu hoffen, dass der neue andere Pflegebedürftigkeitsbegriff das Non­plus­ul­t­ra der Pflegeversicherung sein wird. Wenn er eingeführt wird, soll scheinbar alles gut werden.

Ein neuer Begriff ist keine Lösung

Nach wie vor zweifel ich an, dass allein die Änderung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs Verbesserungen für die Betroffenen bringen wird. Schon jetzt könnten Menschen mit geistigen oder psychischen Einschränkungen ausreichend bei der Pflegeeinstufung erfasst werden. Es müssten nur die bereits vorhandenen Begutachtungs-Richtlinien richtig angewendet werden. Der Haken ist m. E. jedoch, dass bei den Leistungsträgern an einer gerechten Einstufung scheinbar gar kein Interesse besteht. Daran kann auch ein neu einzuführender Pflegebedürftigkeitsbegriff nichts ändern.
Meine Befürchtung ist vor allem, dass der geplante Pflegebedürftigkeitsbegriff mit seinen fünf Pflegegraden eher dazu führen wird, dass sich die Leistungen für Pflegebedürftige verringern werden. Denn wenn die Einführung des auf der Einschätzung der Selbstständigkeit basierenden Pflegebedürftigkeitsbegriffs möglichst nicht zu wesentlich höheren Kosten führen soll (wovon ich ausgehe), wird das Geld, das derzeit auf insgesamt vier Pflegestufen (Pflegestufe 0 bis Pflegestufe III) verteilt wird, auf fünf Grade verteilt. Dann werden alle Eingestuften zwangsläufig weniger bekommen.

Wes Brot ich ess‘, des Lied ich sing

Aber selbst wenn die Pflegebedürftigen mehr Geld bekommen sollten, weil der Gesetzgeber kräftig in die Taschen der Beitragszahler greift, um die fünf Pflegegrade zu finanzieren, bleibt die Frage, wie die Versicherten eingestuft eingegradet werden. Werden es weiterhin kassenabhängige Gutachter sein, die die Begutachtung durchführen?
Reizt das neue System nicht gerade dazu, die Versicherten dann mit dem Pflegegrad 1 „ruhig zu stellen„? Es passiert doch heute auch schon, dass von Gutachtern oder Kassenmitarbeitern versucht wird, einen Widerspruch mit dem freundlichen Hinweis „man bekomme doch die Pflegestufe 0 und solle sich darüber freuen“ zu verhindern.

Was mich betrifft, bin ich sehr skeptisch im Hinblick auf den Pflegebedürftigkeitsbegriff. Wir brauchen keine Veränderung von Begriffen und Stufen zu Graden. Wir brauchen eine andere gesellschaftliche und politische (!) Bewertung der Pflege an sich! Das System hinkt und verhindert eine angemessene und (trotzdem) gute Pflege für alle Hilfe- und Pflegebedürftigen – ganz unabhängig von Graden oder Stufen.
So lange Krankheit und Pflege möglichst billig „abgewickelt“ werden sollen, bleiben die Kranken und Pflegebedürftigen auf der Strecke.