Das Sozialgericht Münster hat entschieden, dass die Pflegestufe 3 nicht allein deshalb abgelehnt werden kann, weil nur wenige Minuten fehlen.
Ein Gutachter hatte bei einem aufgrund eines Diabetes erblindeten Herrn mit einer Halbseitenlähmung aufgrund eines Schlaganfalles einen Pflegeaufwand von 232 Minuten ermittelt. Auf der Grundlage dieses Gutachtens verweigerte die Pflegekasse die Pflegestufe III. Das Gericht befand jedoch, dass eine „geringfügige Unterschreitung“ der vorgegebenen Zeit um 8 Minuten in diesem Fall nicht entscheidend ist.
Das Gericht war der Auffassung, es sei mit dem Gleichheitssatz des Grundgesetzes und dem Gerechtigkeitsgedanken nur schwer vereinbar, wenn der Mindestzeitaufwand um nur wenige Minuten im Vergleich zur Pflegestufe II unterschritten werde, und deshalb die wesentlich höheren Leistungen der Pflegestufe 3 nicht beansprucht werden könnten. Denn nach der Erfahrung des Gerichts würde die zeitliche Mindestvoraussetzung bei den meisten Pflegebedürftigen in der Pflegestufe 3 wegen der strengen Voraussetzungen nur um wenige Minuten überschritten.
Zudem habe der Gesetzgeber mit 120 Minuten, die die Pflegestufen 2 und 2 trenne, eine enorme zeitliche Spanne vorgesehen.
Die fehlenden 8 Minuten sah das Gericht daher als eine „geringfügige Unterschreitung“ an, die alleine nicht zum Scheitern der Pflegestufe führen dürfe. In diesem Urteil wurde auch die Kritik von Pflegewissenschaftlern und Praktikern berücksichtigt, die die zeitliche Bemessung des Pflegeaufwands in willkürlich festgelegten Minutenwerten kritisieren.
Die Richter bemängelten zudem, dass der Gutachter auch bei jeder Tätigkeit ungefähr eine halbe Minute mehr hätte ansetzen können, und dann zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre.
Die Einstufung in die Pflegestufe 3 soll nach Ansicht des Münster Sozialrichters also nicht allein anhand unverrückbarer Minutenwerte entschieden werden. Die beklagte Pflegekasse muss dem Kläger daher die Leistungen der Pflegestufe 3 bewilligen, auch wenn der Gutachter die für diese Pflegestufe notwendige Pflegezeit von mindestens 240 Minuten täglich nicht aufgeführt hatte.
Hinweis: Das Urteil finden Sie unter dem Az.: S 6 P 135/10 auf www.sozialgerichtsbarkeit.de (Rubrik „Entscheidungen“). Es ist noch nicht rechtskräftig.