Westerfellhaus und die Pflege-Hebamme

Manchmal gruselt es mich, wenn ich die Ideen, der so genannten „Tonangeber“ in der Pflege lese oder höre. Ideen, die die Pflege – egal, ob professionell oder von Angehörigen – verbessern sollen.
Aber mal ehrlich, so manche Idee lässt vermuten, dass diese Experten gar nicht wissen, wie die aktuelle Situation tatsächlich aussieht.

Das muss man zumindest glauben, wenn man die neueste Idee des Pflegebevollmächtigten der Bundesregierung, Andreas Westerfellhaus, liest: er schlägt eine „Pflege-Hebamme“ vor. So sagte er in einem Interview gegenüber der Rheinischen Post:

Die Angehörigen sind in dieser Situation fast immer hilflos, egal ob Akademiker oder nicht. Zumal Pflegebedürftigkeit meistens plötzlich eintritt. (…) Den Angehörigen und den Pflegebedürftigen könnte man helfen, indem sie in der Startphase der Versorgung zu Hause eine strukturierte Hilfe bekämen, eine Fachkraft – ähnlich wie junge Eltern sie rund um die Geburt eines Kindes durch eine Hebamme erhalten. Diese Fachkraft könnte in den ersten Tagen intensiv die Angehörigen von Pflegebedürftigen zu Hause begleiten – beispielsweise einen Blick darauf haben, wie es mit Verbänden, Lagerung, professionellen Entlastungsangeboten und sonstiger Versorgung funktioniert. Durch ein solches Angebot bekämen die Angehörigen Sicherheit im Umgang mit den Pflegebedürftigen. Später könnte die Fachkraft noch beratend da sein, wenn etwa auch mal Schwierigkeiten wegen Überlastung auftreten.

Ja toll, Herr Westerfellhaus! Aber sowas gibt es doch bereits. Es nennt sich FALLMANAGEMENT im Rahmen der PFLEGEBERATUNG nach § 7 a SGB XI.

Das Problem mit dem Fallmanagement allerdings ist, dass die wenigsten (also kaum bis gar keine) Kassen ihren gesetzlichen Auftrag nach § 7 a SGB XI ernst nehmen und ein Fallmanagement im Rahmen der Pflegeberatung für ihre Versicherten anbieten.
Zudem sind die Kassen auch nicht bereit, unabhängige Pflegeberater – oder wenn Sie darauf bestehen, Pflege-Hebammen – die ausschließlich den Nutzen der Versicherten im Blick haben, einzusetzen. Stattdessen wird den Versicherten von den Pflegekassen regelmäßig eine „telefonische Pflegeberatung“ angeboten, die gerade mal über die allgemeinen Ansprüche aufklärt, aber als echte Hilfestellung nichts taugt.

Weiter konstatiert der Pflegebevollmächtigte in diesem Interview:

(…) Wir benötigen ein Gutachten darüber, was Pflegebedürftige und Angehörige im Akutfall tatsächlich benötigen und auf welche Strukturen und Professionen man für eine „Pflege-Hebamme“ zurückgreifen könnte. Bei der häuslichen Pflege drückt der Schuh am meisten. (…)

Das erinnert mich an den Spruch aus meiner Zeit im Pflegemanagement: „Und wenn ich mal nicht weiter weiß, dann gründ‘ ich einen Arbeitskreis…

Wir brauchen keine Studie!

Es gibt genug Initiativen und Vereine pflegender Angehöriger, die schon jetzt ungefragt und qualifiziert den Finger in die Wunde legen und sich über Gehör (natürlich mit Konsequenzen) freuen würden. Fragen sie doch einfach da mal nach. Nehmen Sie sich ein bis zwei Tage Zeit und reden Sie mit den Leuten. Das sollte reichen, um sich ein Bild über die Situation pflegender Angehöriger zu machen und um zu wissen, welche Hilfen diese benötigen.
Ist Ihnen das zu umständlich? Reden Sie mit den (unabhängigen) Pflegeberatern. Auch die können Ihnen sehr genau sagen, woran es in der ambulanten Pflege durch Angehörige fehlt.
Schieben Sie tatsächliche Hilfen nicht auf, indem Sie eine Studie oder ein Gutachten in Auftrag geben! Denn um nichts anderes handelt es sich bei dieser Vorgehensweise: AUFSCHIEBEN statt TUN!
Die notwendigen Strukturen, um die erforderlichen Hilfen zu leisten, gibt es bereits. Sie werden aber nicht genutzt, weil vor allem den Kassen nicht daran gelegen ist, die Versicherten umfassend aufzuklären und zu begleiten.

Und wenn Sie sich fragen, was Sie sofort tun können, hätte ich auch noch drei Tipps für Sie:

  1. Sorgen Sie dafür, dass die Pflegekassen die Kosten ihrer Versicherten für eine unabhängige Pflegeberatung ihrer Wahl übernehmen.
    Klartext: Unterbinden Sie die tendenziellen Beratungen der Kassen!
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  2. Verpflichten Sie die Kassen dazu, das im Gesetz schon lange vorgesehene Fallmanagement anzubieten und auch durchzuführen.
    Auch hier ist es erforderlich, dass von den Versicherten unabhängige Berater*innen gewählt werden können und deren Honorar von den Kassen übernommen wird.
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  3. Sorgen Sie für eine freie Wahl bei der Pflegeberatung, wie auch bei der Arztwahl!
    Pflegeberatung ist ein sehr vertrauliches Anliegen, bei dem die Berater*in sehr intime Details des Versicherten und seiner Familie erfährt. Hier ist Vertrauen grundlegend. Das ist meiner Erfahrung nach nur möglich, wenn die Betroffenen sich die Person, denen sie vertrauen wollen und können, selber aussuchen können.
    Bei den aktuellen Beratungsstrukturen wird eine „Friß-oder-stirb-Strategie“ gefahren. Die Versicherten haben keine Wahl, von wem sie sich beraten lassen möchten. – Es sei denn, sie können sich eine unabhängige Beratung leisten.

Die Kassen möchten keine unabhängigen Pflegeberater*innen, weil nicht nur die Berater*innen Geld kosten. Auch die umfassende Aufklärung mit Antragshilfen und Hilfen zur Optimierung der Leistungsnutzung kostet die Kassen Geld, das sie derzeit durch eine nicht selten kassenfreundliche „Pseudo-Beratung“ einsparen.

Das ist ein Plädoyer für die unabhängige Pflegeberatung durch freiberufliche und unabhängige Pflegeberater.
Ich biete diese freie und unabhängige Pflegeberatung seit nunmehr 17 Jahren an. Daher weiß ich auch, wie wichtig den Pflegebedürftigen und ihren Familien meine Unabhängigkeit ist. So wichtig, dass sie mich trotz des Angebotes kostenloser Beratung durch die Kassen und Pflegestützpunkte aus eigener Tasche bezahlen.

Wenn Sie Fragen zum Widerspruch, zur Pflegeeinstufung, zur Organisation der häuslichen Pflege, zum Umgang mit Ihrem demenzerkrankten Angehörigen, zu Ihrer Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung oder anderen pflegerelevanten Themen haben, kann ich Ihnen bestimmt helfen. Ich berate Sie professionell und kostengünstig.
Also, sprechen Sie mich bitte an!