10 Fragen und Antworten zum Thema Sterbehilfe und Patientenverfügung (Frage 1 – 5)

Ich freue mich, Ihnen hier den 1. Teil des folgenden Experteninterviews mit dem Rechtsanwalt Wolfgang Putz, der ausschließlich im Medizinrecht, wie Arzthaftung und Patientenrechte am Ende des Lebens, tätig ist, präsentieren zu können. Herr Putz äßert sich nachfolgend zu den Themen Sterbehilfe, Patientenverfügung, Vorsorgevollmacht und Bestattungsvorsorge.

Lesen Sie jetzt die Fragen 1 bis 5:

1.   Kann man eine Patientenverfügung jederzeit ändern?

Wolfgang Putz: Man kann eine Patientenverfügung jederzeit ändern. Dazu muss man nicht einmal voll geschäftsfähig sein, es genügt die Einsichtsfähigkeit, also das Verständnis für die Tragweite einer etwaigen Abänderung.

2. Welche Rechte haben Ehepartner oder andere Angehörige, wenn jemand seinen Willen nicht mehr äußern kann und keine Patientenverfügung und keine Vorsorgevollmacht erteilt hat?

Wolfgang Putz: Ehepartner oder Kinder können einen Patienten, der seinen Willen nicht mehr äußern kann, keineswegs aufgrund ihrer Verschwägerung bzw. Verwandtschaft vertreten. Die einzige vom Gesetz vorgesehene Vertretung besteht hinsichtlich Minderjähriger durch ihre Eltern. In allen anderen Fällen muss eine Vorsorgevollmacht erteilt werden. Fehlt eine solche, muss das Betreuungsgericht beispielsweise den eigenen Ehegatten oder das eigene Kind als Betreuer einsetzen und sodann regelmäßig kontrollieren. Es kommen erhebliche Verfahrenskosten zustande. Ansonsten kann jedermann, nicht nur Ehepartner oder Kind, Zeugenaussagen über Willenserklärungen des Patienten in gesunden Tagen zu seiner Behandlung respektive zu seinen Wertvorstellungen machen.

3. Passive Sterbehilfe ist in Deutschland erlaubt, aktive nicht. Wo verläuft die Grenze?

Wolfgang Putz: Erlaubt und geboten ist alles, was dem Patientenwillen entspricht – mit Ausnahme der direkt gewollten aktiven Tötung des Patienten, sei es auf Wunsch des Patienten oder aus eigener Entscheidung (Tötung oder Tötung auf Verlangen). Insbesondere ist das Beenden einer lebenserhaltenden ärztlichen Therapie, etwa eine künstliche Ernährung oder Beatmung, nach dem Willen des Patienten erlaubt und geboten. Das gilt auch dann, wenn die Beendigung der Therapie ein aktives Handeln wie etwa das Abschalten einer Beatmungsmaschine erfordert.

4. Können Sie an einem konkreten Beispiel den Unterschied zwischen passiver und aktiver Sterbehilfe erläutern?

Wolfgang Putz: Gebotene passive Sterbehilfe ist etwa die Beendigung einer künstlichen Beatmung bei gleichzeitiger Sedierung, sodass der Patient erst einschläft und dann ohne Empfindungen verstirbt, sofern das gesamte Vorgehen dem Patientenwillen entspricht. Am häufigsten wird die künstliche Ernährung eingestellt. Den dafür notwendigen Patientenwillen kann der Patient aktuell äußern oder im voraus kundgetan haben, beispielsweise durch eine schriftliche Patientenverfügung. Dagegen wäre es eine verbotene, aktive Sterbehilfe, wenn ein Patient, der gar nicht künstlich lebensverlängernd behandelt wird, darum bittet, durch eine Maßnahme, wie etwa eine Giftspritze, getötet zu werden. Die Injektion der Giftspritze ist verbotene aktive Sterbehilfe, also Tötung durch einen anderen. Ebenso legal ist die Beihilfe zur Selbsttötung, also aktive Tötung des Patienten durch sich selbst, wenn der Patient frei verantwortlich ist. Es muss die eigentliche Tötungshandlung zwingend vom Patienten selbst und nicht durch eine andere Person ausgeführt werden. Im Übrigen darf das Handeln des Patienten nicht einer durch Krankheit gestörten Entscheidungsfindung entspringen, sonst ist jede Form der Beteiligung an der Selbsttötung strafbar.

5. Neben der aktiven und passiven Sterbehilfe gibt es auch noch die indirekte Sterbehilfe. Was ist darunter zu verstehen?

Wolfgang Putz: Die indirekte Sterbehilfe muss korrekt als indirekte aktive Sterbehilfe bezeichnet werden. Man spricht dann von indirekter Sterbehilfe, wenn die notwendige Linderung von schwersten Leiden, etwa durch Medikamentengabe, als Nebenwirkung bewirkt, dass das Leben um kurze Zeit verkürzt wird. Der Vorsatz, also die Zielrichtung der Behandlung darf dabei nicht die Lebensverkürzung betreffen, sondern die Leidensminderung auf ein erträgliches Maß. Dann ist das Vorgehen legal.

Morgen lesen Sie hier den 2. Teil des Interviews!