Nun habe ich die ersten Erfahrungen mit den neuen Pflegegraden gesammelt und muss leider sagen, dass sich meine Befürchtungen, dass es nicht für alle besser wird, bestätigt haben.
Tatsächlich sind es aus meiner Sicht jetzt die körperlich Erkrankten, die bei den Pflegegraden das Nachsehen haben.
Erst letzten Freitag musste ich dem pflegenden Ehemann einer sehr schwerkranken Frau, die allerdings keinerlei geistige Einschränkungen hat, erklären, dass es aktuell aussichtslos ist, dass seine Frau einen Pflegegrad 4 erhält.
Eine Pflegestufe III hätte ich für sie im letzten Jahr noch ohne weiteres durchsetzen können. Allerdings war dieses Ehepaar den Prophezeiungen des Gesetzgebers („Mit den Pflegegraden wird es gerechter“) aufgesessen.
Interessant ist auch, wenn man ein Gutachten vor sich hat, bei dem allein die Medikamentengabe (die leider nicht erforderlich war) dafür entscheidend sein kann, nicht den Pflegegrad 4 zu erreichen. Wobei der Sprung von Pflegegrad 3 in den Pflegegrad 4 insgesamt sehr schwierig ist.
Auch meine Befürchtung, dass der Pflegegrad 1 nun dafür herhalten muss, dass der Versicherte gesagt bekommt „Nun beschweren Sie sich doch nicht, Sie haben doch einen Pflegegrad.“, bewahrheitet sich – leider.
Ist die Pflegereform also eine Verbesserung für die Pflegebedürftigen?
In jedem Fall für die übergeleiteten Fälle. Diese Pflegebedürftigen sind mit den erhöhten Leistungen und dem Bestandsschutz, der auch den Pflegegrad betrifft, die Gewinner der Reform. Die Pflegebedürftigen allerdings, die „nur“ körperliche Beeinträchtigungen haben, werden sich m. E. in Zukunft hauptsächlich in den Pflegegraden 1 bis 3 tummeln.
Bleiben wir also gespannt, ob Nachbesserungen erfolgen müssen.